Von Raum zu Raum
„Von Raum zu Raum“ nennt der Düsseldorfer Künstlerfotograf Andreas Thein *1969 seine Ausstellung bei „Kunst aus NRW“ in der ehemaligen Reichsabtei Aachen-Kornelimünster und beschreibt damit zutreffend zwei herausragende Aspekte seiner Präsentation. Einerseits nimmt er damit Bezug auf die Besonderheiten der Ausstellungsräume, die in der Abfolge des Rundgangs dem barocken Raumkonzept im Erdgeschoss des alten Abtstrakts folgen und dabei zahlreiche Durchblicke ermöglichen.
Zum Zweiten kommt diese räumliche Konstellation seinen künstlerischen Intentionen entgegen; denn „Räume“ sehr unterschiedlicher Zweckbestimmung sind seit 2001 das Thema des Fotografen Andreas Thein, wobei der Begriff des Raumes immer den Innenraum meint und dabei durchaus auch im eingeschränkten Sinn zu verstehen ist als Einblick in Schränke, Regale und Schubladen und in die unterschiedlichsten Behältnisse und Aufbewahrungsorte heterogener Dinge und Relikte menschlichen Daseins.
Drei große fotografische Serien zeigt der Künstler in der Ausstellung „Von Raum zu Raum“.
Seit 2001 gibt die Folge „Eigenheim“ Einblicke in private Wohn- und Lebenszusammenhänge
frei, gewährt der Kamera von Keller über Garage bis zum Speicher Zugriff auf persönliche Dinge und Gegenstände, die in Regalen, Schränken, Vitrinen und Schubladen ihren Platz gefunden haben und dort – glaubt man den Bildern Theins – ihr beinahe zeitloses, geordnetes, ruhiges Eigenleben führen, das sich von ihren Besitzern gelöst zu haben scheint und gelegentlich aber auch bedrückende, klaustrophobisch zwanghafte Stellvertreterfunktionen übernimmt.
Der Bildausschnitt und die Bildgröße entsprechen dabei in Maß und Rechtwinkligkeit dem wiedergegebenen Regal, der Schublade, der Vitrine etc., wobei der Künstler nach gleichbleibenden Regeln handelt, die viel über sein Verständnis und das Wesen der Fotografie
aussagen.
Die „Fremdenzimmer“ geben Einblicke in äußerst sparsame, ausschließlich für ganz bestimmte Zwecke ausgestattete und genutzte Räume frei, wobei diese genauso wenig in Benutzung gezeigt werden wie die Besitzer des „Eigenheims“ ins Bild gesetzt werden.
So gibt lediglich beispielsweise die kalte, neutrale Farbigkeit und die extreme Kargheit einen Eindruck von der Tristesse einer Besucherzelle im Gefängnis.
Bei der jüngsten fotografischen Produktion des ehemaligen Ministranten Andreas Thein handelt es sich um die Serie „Sakraler Raum“, die in der künstlerischen Auffassung den Bildern aus der Folge „Eigenheim“ verwandt erscheint, deren Inhalt und Thema aber Aufbewahrungsorte für sakrale, bzw. religiöse Gegenstände sind. Leere Tabernakel und
Kelchkoffer, die noch sozusagen den Nimbus ihres Inhaltes aufweisen, auch wenn die auskleidenden Stoffe verblasst und angeschmutzt sind. In Kisten verpackte Heiligenfiguren, von schützenden Stoffen umhüllt, feierlich rote Ministrantengewänder in einem eigenen Schrank, Gebetbücher oder Kerzen in Schubladen sind Themen der Fotografien, die obwohl an sich sicher nicht religiös, gelegentlich doch das Numinose beschwören, vor allem dann, wenn die in Szene gesetzten Behältnisse leer sind und lediglich die Spuren des darin Aufbewahrten sichtbar werden.
Hier wird das Medium Fotografie benutzt, um in strenger, meisterlicher Form inhaltliche Aussagen zu transportieren. Diese besondere Fähigkeit des Andreas Thein ungewöhnliche Motive in präziser, dem Medium Fotografie angemessener Ausdrucksweise in Bilder umzusetzen, hat sicher auch die fördernde Anteilnahme der Landesregierung an seinem Schaffen herausgefordert und so die Sammlung „Kunst aus NRW“ in den Besitz von drei seiner Arbeiten gebracht, was nun die Möglichkeit eröffnet, die Ausstellung „Von Raum zu Raum“ in der ehemaligen Reichsabtei zu veranstalten, die von diesem schönen Katalog begleitet wird.
Maria Engels, Kuratorin und Leiterin der Sammlung „Kunst aus NRW“
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